Artikelgesetz – So wirkt es sich für aktive Soldaten in der Praxis aus

Aktiv. Attraktiv. Anders. – so sieht sich die Bundeswehr 2015. Und damit auch die öffentliche Wahrnehmung der Bundeswehr, besonders als Arbeitgeber, geschärft wird, hat das Bundesverteidigungsministerium einige Änderungen auf den Weg gebracht, die das Soldatenleben nachhaltig verbessern werden. Besonders die Erkenntnis, dass der Bundeswehr für ihre anspruchsvollen Aufgaben qualifiziertes Personal fehlt, hat dazu geführt, dass das Ziel nun ist, der attraktivste Arbeitgeber der Bundesrepublik zu werden. Um dem verschärften Wettbewerb um Fachkräfte aus Wirtschaft und Handel Paroli bieten und Abwanderungen in die Wirtschaft verhindern zu können, teilt sich das am 27. Februar 2015 verabschiedete Gesetz nun in drei Teilbereiche auf.

Teilbereich 1: Arbeitsbedingungen und Dienstgestaltung

Es wird eine regelmäßige gesetzliche Arbeitszeit von 41 Stunden pro Woche für Soldatinnen und Soldaten im Grundbetrieb festgelegt. Gleichzeitig werden die Möglichkeiten für Soldatinnen und Soldaten, Teilzeitbeschäftigungen (auch im Sinne des „Job-Sharings“) auszuüben, erweitert. Parallel dazu werden die Beförderungsmöglichkeiten, insbesondere für die Mannschaftslaufbahn und die Beamtinnen und Beamten des einfachen Dienstes, verbessert. Schlussendlich werden Familien von Soldatinnen und Soldaten im Auslandseinsatz unterstützt, falls dies notwendig werden sollte (Familien – und Haushaltshilfe).

Teilbereich 2: Vergütung

Hier wurden vor allem Zuschläge und Zulagen überarbeitet oder sogar neu hinzugefügt, insbesondere sind das:

  • der Personalbindungszuschlag: er soll als modernes Instrument dienen, um Soldatinnen und Soldaten in Personalmangelbereichen dauerhaft zu binden und Abwanderungen in die Privatwirtschaft zu verhindern. Durch dieses Instrument kann außerdem auf personelle Engpässe flexibel reagiert werden.
  • Strukturelle Verbesserungen bei den Erschwerniszulagen. Diese Zulagen betreffen vor allem Soldatinnen und Soldaten, die in den Bereichen der Kampfmittelbeseitigung beschäftigt sind und gerade in Einsatzgebieten täglich ein besonderes Risiko für Leib und Leben auf sich nehmen (weitere Beispiele: Bunkerdienste, Minentaucher, und so weiter).
  • Zulagen sollen zunächst auch Stellen erhalten, die eine besondere Bedeutung für den Dienstbetrieb haben, zum Beispiel: erfahrene Kompaniefeldwebel und Ausbilder im Außendienst, die die Soldatinnen und Soldaten bestmöglich vorbereiten; aber auch die Arbeit des im Rahmen der Fernmelde – und elektronischer Aufklärung eingesetzten Personals nimmt zunehmend an Bedeutung zu und soll durch Zulagen besonders gewürdigt werden.
  • der Wehrsold wurde seit 2008 nicht mehr angepasst und soll nun, da es nur noch freiwillig Wehrdienstleistende gibt, erhöht werden.
  • die Geltungsdauer der Stellenzulage für Rettungsmediziner und Gebietsärzte, sowie für Piloten der Luftwaffe im Kommandantenstatus: diese soll bis zum 31. Dezember 2019 verlängert werden.

Teilbereich 3: soziale Absicherung

In diesem Bereich ging es vor allem darum, Soldatinnen und Soldaten eine verbesserte Nachversicherung in der gesetzlichen Rentenversicherung auf Zeit zukommen zu lassen. Gleichzeitig sollen Einkommen aus privatwirtschaftlicher Tätigkeit nach dem Ausscheiden erst ab Erreichen der für Polizeivollzugsbeamtinnen und -beamte geltenden besonderen Altersgrenzen angerechnet werden. Die Regeln bezüglich des Versorgungsausgleichs für geschiedene Soldatinnen und Soldaten werden verbessert. Zu guter Letzt wird der Stichtag für die Einsatzversorgung auf den 01. November 1991 zurückversetzt, was den Empfängerkreis erweitert und so für eine gerechtere Verteilung der Mittel sorgt.

Noch ist das Gesetz nicht im Bundesrat verabschiedet. Es ist aber kein zustimmungspflichtiges Gesetz, weswegen davon auszugehen ist, dass es einspruchslos am 27. März 2015 den Bundesrat passieren wird.

Die Bundeswehr kommt mit diesem neuen Regelwerk ihrem Ziel, attraktiver zu werden, einen großen Schritt näher. Zugleich würdigt sie ihren bereits vorhandenen Personalstamm. Die Hoffnung, die durch den fortschreitenden demographischen Wandel angespannte Situation hiermit maßgeblich zu entschärfen, könnte sich erfüllen. Mit diesen und noch weiteren Veränderungen könnte es gelingen, neue qualifizierte Kräfte für eine Karriere in den Streitkräften oder den zivilen Bereichen zu begeistern. Durch die nun sichergestellte leichtere Vereinbarkeit von Privatleben und Dienst, aber auch die bessere Besoldung und Versorgung sowie die gesetzlichen Absicherungen und verlässlichen Arbeitszeitregeln erscheint es möglich, die Türen für Fachkräfte von außen weiter zu öffnen, aber auch vorhandenes Personal weiter zu motivieren und zu binden.

Nichtsdestotrotz steht natürlich der militärische Auftrag im Vordergrund – doch wird nun sichergestellt, dass die Belastung für das Personal auf ein unabdingbar notwendiges Maß reduziert werden muß, will man eine qualitativ hochwertige Absicherung erzielen.

Die meisten der neu getroffenen Vereinbarungen werden schnell Anwendungen finden, einige Maßnahmen, zum Beispiel die Einführung der gesetzlichen Dienstzeitregelung, werden aufgrund notwendiger organisatorischer Maßnahmen erst Anfang 2016 wirksam.

Das sagt der DBWV dazu:

Dass der Bundestag das so genannte Artikelgesetz und mit ihm weitreichende Verbesserungen für die Soldatinnen und Soldaten verabschiedet hat, findet beim Deutschen Bundeswehrverband Anklang. Nur wenige Punkte wurden bemängelt beziehungsweise als nachbesserungswürdig befunden, so etwa die verbesserte Rentennachversicherung für Soldatinnen und Soldaten auf Zeit: hier hätte man sich anstatt „nur“ 15 Prozent 21 Prozent gewünscht. So wäre eine größere Breitenwirkung erzielt worden.

Besonders gelobt hingegen wurde die Vorverlegung des Stichtages für die Einsatzversorgung auf den 01. November 1991 – so würde auch die Vorausmission des Kambodscha-Einsatzes mit erfasst. Der Bundesvorsitzende des Bundeswehrverbandes, André Wüstner, erhofft sich dadurch eine einheitliche und gerechte Versorgung der Verwundeten und Hinterbliebenen aus diesen Einsätzen.

Die Politik schließt sich mehrheitlich dem Gesetz an; nur Bündnis90/Die Grünen sehen Unstimmigkeiten beispielsweise bei den Perspektiven der Soldaten nach deren Dienstzeitende, weswegen sie einen eigenen Entschließungsantrag vorlegen wollen. Naturgemäß lehnen die Linken das Gesetz komplett mit der Argumentation ab, dass eine Armee im Einsatz nie attraktiv sein könne.

Insgesamt kann man sagen, dass die Verbesserungen bei der Hinzuverdienstgrenze und dem Versorgungsausgleich bei den Berufssoldatinnen und – soldaten im Ruhestand ein wichtiger Schritt nach vorn sind, aber verbesserungswürdig bleiben, solange sie nicht an die besondere Altersgrenze der Bundespolizei gekoppelt sind. Bei den geregelten Arbeitszeiten und Mehrarbeitsvergütungen sei auf Fallstricke zu achten, hieß es.